Cascade und Lichtfänger

Einführung

Liebe Freunde, Nachbarn, Interessierte, Eingeladene, Angesprochene

Vielen Dank für Euer Kommen zu nächtlicher Stunde. Jeden Tag begrüßt mich am Morgen um Sieben die Elisabethkirche mit ihrer liebreizenden Glocke. Ich wohne in unmittelbarer Nachbarschaft, ich laufe fast täglich an ihr vorbei. Daher war es für mich selbstverständlich zuzusagen, als mich Hans Lyer mit der Bitte ansprach, ob ich im Elisabethjahr 2007 hier eine Ausstellung machen würde. Ich tat mich jedoch schwer, was kann ich in Glas, dem mir eigenen Material, dem Kirchenraum hinzufügen, welcher Weg öffnet sich mir der Elisabeth, was sagt sie mir? Was kann ich sagen?

Eine Heilige, beeinflußt, selbstzerstörerisch im pathologischen Sinn, mit Wahnvorstellungen behaftet, sich freiwillig oder getrieben, der Geißelung und Qualen ihres Beichtvaters Konrad von Marburg ergeben, letztendlich mit 24 an Auszehrung, an Magersucht verstorben. Ein Vorbild, eine Heilige? Das Rosenwunder, eine spätere Legende, die Pflege der Kranken bis zur Selbstaufgabe, sie hat Jesus gesucht und gefunden, als sie ihn nicht mehr suchte. Ihre Heiligsprechung vorangetrieben von diesem Konrad von Marburg. Der Ort und ihre Vita widersetzten sich mir.

Gut, ein anderer Anfang: Meine Werkstatt, mein Atelier, manchmal auch mein Labor, in dem ich versuche, seit Jahren zu verstehen, was es mit meinem Material, dem Glas auf sich hat. Im physikalischen Sinne ist Glas eine Flüssigkeit, die ohne Kristallisation erstarrt. Es ähnelt dem gefrorenen Wasser, nur dass sein Schmelzpunkt wesentlich höher liegt. Hier im Kirchenraum liegt es im gefrorenen Zustand vor.

Eine wesentliche Eigenschaft des Glases ist seine Transparenz. Das Licht fällt hindurch. Bringe ich Farbe auf das Glas, wird daraus Malerei, die nicht nur in ihrer Fläche reflektiert

und als Blau, Rot oder Gelb wahrgenommen wird, sondern auch vom Licht durchdrungen wird und dieses einfärbt. Die Farbe strahlt in den Raum. Setze ich vor die Farb Lichtfläche eine weitere Glasscheibe, dann fungiert diese als Filter. Die beiden Gestaltungsebenen beeinflussen sich gegenseitig. Je nach Richtung des Lichtes, wird die Vorderseite zur Rückseite, zeichnet sich die Farbe der einen Scheibe auf der Anderen ab. Die Raumgrenze dieses Gebildes kann über das Glas hinausgehen, sie wird nicht mehr ortbar, sie greift in den Raum.

Meine Technik war das Airbrushen, übersetzt Luftpinsel und das Sandstrahlen. Beide Systeme arbeiten mit Luft. Ich modelliere mit der Luftmalerei das Licht. Ich verdunkle, bringe zum Leuchten, mit dem Sand trübe ich das Glas, lasse die Farbe flächig wirken, fange sie ein. Das fertige Bild ist im Kopf, in der Vorstellung ein Ideal. Der Prozess des Luftmalens ist eine Annäherung daran. Es kann bei diesem Vorgehen fast nicht nachgearbeitet werden. Das birgt ein Risiko in sich, aber auch die Chance, dass es gelingt, die Frische und Spontaneität der Idee zu erhalten, die das Werk erst lebendig macht.

Obwohl ich mich bei diesen Arbeiten freimachte vom Ort, dieser Kirche und der Person der Elisabeth, haben sie doch Einfluss genommen.

Ein wenig ist aus dem Lichtfänger auch ein Schutzmantel geworden, der sie verhüllt in seiner Barmherzigkeit. Es sind keine Rosen, aber Farben, die wärmen.

Die Cascade war ein logistisches Problem: Wie gelingt es mit Muskelkraft diesen schweren Wasserfall nach oben zu ziehen? An einem dünnen Stahlseil in ein Loch in der Decke, durch das vor der Elektrifizierung des Leutwerks, das Zugseil der Glocke führte, die mich allmorgendlich begrüsst?

Zur Absicherung diente ein Gegengewicht, das unscheinbarste, aber schwerste Werk hier. Es liegt am Fuß der Cascade. Es handelt sich um eine frühe Arbeit von mir, gegossen aus Bleiresten, ein 50 Kilogramm schweres Herz aus Blei. Das Leid, das dieser Elisabeth widerfahren ist, das sie gesucht hat, um Gott zu finden Steht dafür das Herz?

Vielen Dank